TSW – Tagesstruktur Wohnen

Noch vielerorts sieht die Ideologie der Behindertenhilfe vor, dass nach dem Frühstück alle Klienten geschlossen den Wohnbereich verlassen und sich zum Arbeiten in die Beschäftigungsstätte begeben. Genau besehen kommt hier ein Tagesablauf, wie wir ihn aus den Industrien des 19. Jahrhunderts kennen, zur Anwendung. Ohne Rücksicht auf individuelle Bedürfnisse und persönliche Vorstellungen der Lebensgestaltung werden die Bereiche des Wohnens und der Arbeit strikt getrennt und diese Trennung als Allheilmittel für ein normales Leben angenommen.

Nehmen die Begleitpersonen jedoch eine personenzentrierte Haltung ein und setzen sich mit den wirklichen Bedürfnissen der Menschen mit einer Behinderung auseinander, so zeigt sich ein vielgestaltiges und widersprüchliches Bild. Es gibt Klienten, die bewerben sich um eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt und in etlichen Nischen – dank speziellen Vermittlungsdiensten – können sie auch fündig werden. Daneben bietet sich eine im sozialen Basel ausgeprägte Landschaft von geschützten Werkstätten und Werkateliers. Hier werden Arbeitsabläufe vereinfacht und den Fähigkeiten der Klienten angepasst.

Auch wer keiner an Leistung gemessenen, auf ein Erzeugnis ausgerichteten  Arbeit nachgehen kann, dem stehen niederschwellige Beschäftigungsstätten, wie die von abilia neu gegründete TSB Erlenmatt, offen. Hier werden dank einer guten, personalintensiven Organisation eine Küche betrieben, Gartenarbeit verrichtet, das Areal der Überbauung gepflegt oder in Ateliers dekorative Gegenstände angefertigt. Zugleich leistet jeder Klient genau denjenigen Beitrag, der zu leisten er im Stande ist – und wenn es die fünf geschälten Karotten oder die zehn Minuten konzentrierten Wischens sind.

Was entspricht nun in dieser an individueller Lebensqualität bemessenen Logik den älteren und den schwerst beeinträchtigten Menschen? Hier sind oftmals bereits die alltäglichen Verrichtungen im Haushalt und das gemeinsame Leben auf der Wohngruppe eine Herausforderung. Es bedarf eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Aktivitäten und entspannendem Rückzug. Eine Beschäftigung ausser Haus mag stimmen, doch nur in einem reduzierten Pensum. Aus diesem Grund hat abilia in sämtlichen Wohnhäusern eine Tagesstruktur Wohnen entwickelt: mit den anwesenden Klienten werden morgens und nachmittags Arbeiten im gemeinschaftlichen Haushalt verrichtet oder Besorgungen für die Wohngruppen getätigt. Die Arbeiten sind in Sequenzen unterschiedlicher, den individuellen Fähigkeiten entsprechender Länge gestaltet. Dazwischen sorgen ein Fussbad oder das mobile Snoezelen für eine entspannte, ausgewogene Selbstwahrnehmung. Vor allem nachmittags finden Gruppenaktivitäten statt und es wird gebacken, geturnt, gesungen und anderes mehr.

Die Tagesstruktur Wohnen ist also ein vielfältiges, niederschwelliges Angebot der Alltagsgestaltung für Menschen, die nicht mehr regelmässig ausser Haus arbeiten gehen können. Das Angebot kann auch von Klienten anderer abilia Wohnhäuser genutzt werden und funktioniert als eine Art sozialer Plattform. Wir möchten es nicht mehr missen.